(Un-)heilige Krankheiten

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Eine aktuelle Auseinandersetzung mit der “Heiligen Krankheit” vom französischen Zeichner David B.

 

DFG Forschergruppe 1533 “Sakralität und Sakralisierung in Mittelalter und Früher Neuzeit. Interkulturelle Perspektiven in Europa und Asien”;

Institut für Geschichte und Ethik der Medizin,
Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg
17.03.2016-18.03.2016, Erlangen, Erlangen, Hörsaalzentrum im Ulmenweg, Unterrichtsraum 1 (1. OG)
Deadline: 04.03.2016

“Besessenheit” kann von Psychiatern mit der Hilfe von Neuroforschung und Biochemie als psychische Krankheit erforscht, erklärt, behandelt und damit in das Gefüge ihres naturwissenschaftlichen medizinischen Paradigmas eingeordnet werden: Seit 2013 ist Besessenheit (engl. “possession”) in der fünften Auflage des weltweit einflussreichen Diagnostic and Statistical Manual of Mental Disorders (DSM-5) der American Psychiatric Association aufgeführt. Es gibt historisch wie räumlich vielfältige Konzepte von Besessenheit: positiv und negativ konnotierte Besessenheit, durch wohltätige Götter, verstorbene Vorfahren, böse Seelen und Tiergeister; Besessenheit kann freiwillig oder unfreiwillig geschehen, gesellschaftlich geachtet oder geächtet sein. Doch gehören Besessenheitskonzepte den Sphären von Religion und Dämonologie an. Eine medizinische Auseinandersetzung findet vor einem anderen epistemologischen System statt, was potenziell Aushandlungsprozesse, wenn nicht Konflikte mit sich führt. Eines der frühesten und bekanntesten Beispiele ist die “Heilige Krankheit”, deren kontroverse Auffassungen in der antiken hippokratischen Medizin Niederschlag gefunden haben. Angepasst an immer neue Zeitkontexte diente die gleichnamige Schrift Autoren von der Antike bis in die Moderne als Bezugspunkt, um sich in der Frage nach religiösen Krankheitsdeutungen zu positionieren. Medizinische und religiöse Deutung von Besessenheitsphänomenen stehen sich nicht nur als unvereinbare Paradigmen gegenüber, sondern interagieren auch miteinander. Koexistenz, Kooperation und ambigue Formen sind ebenfalls denkbar. Theoretische Abgrenzung der Deutungssysteme voneinander kann mit gemeinsamer oder arbeitsteiliger Therapie in der Praxis zusammengehen. Die Tagung “(Un-)heilige Krankheiten” thematisiert verschiedene Konzepte von Besessenheit in Medizin, Religion und Dämonologie. Ein Fokus soll darauf liegen, wie sich die verschiedenen Deutungssysteme jeweils miteinander auseinandergesetzt haben, wenn es um Besessenheit und religiös aufgeladene Krankheiten ging: Wie wurden solche Phänomene jeweils religiös und medizinisch gedeutet? Wie wurden Deutungen zwischen Medizin und Religion/Dämonologie ausgehandelt, wie setzten sich die Protagonisten mit der jeweils anderen Deutung auseinander? In interkultureller Perspektive soll beleuchtet werden, welche Ausformungen das Verhältnis zwischen Medizin und Religion/Dämonologie in der Auseinandersetzung mit Besessenheit und anderen (un-)heiligen Krankheiten annehmen kann. Neben Schlaglichtern aus Indien und China soll bei Europa der zeitliche Fokus auf Spätantike und Mittelalter liegen. Im Austausch von internationalen Spezialisten aus Medizin- und Psychiatriegeschichte sowie Indologie und Sinologie soll die Leitfrage der Tagung in interkultureller Perspektive diskutiert werden.

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17. März
14.00-14.30 Uhr Begrüßung K. Herbers und K. Leven, Inhaltliche Einleitung N. Metzger
14.30-15.30 Uhr Walter Bruchhausen (Aachen): »Macht Geistbesessenheit krank oder gesund? Ostafrikanische Praxis und europäische Diskurse«
15.30-16.30 Uhr Elisabeth Schömbucher-Kusterer (Würzburg): »Besessenheit in Indien – Krankheit, dämonischer Übergriff oder göttliche Gnade?«
16.30-17.00 Uhr Kaffeepause
17.00-18.00 Uhr Rolf Scheuermann (Erlangen): »Der Einfluss dämonischer Kräfte auf die Gesundheit – Durch Geister verursachte Krankheiten in der traditionellen tibetischen Medizin«
18.00-19.00 Uhr Karl-Heinz Leven (Erlangen): »’Was die Laien Dämon nennen’ – epilepsia, Mondsucht und Besessenheit in Byzanz«
anschließend Empfang mit Abendessen im Institut für Geschichte und Ethik der Medizin, Glückstr. 10

18. März
9.30-10.30 Uhr Christian Schulze (Bochum): »Facetten von Besessenheit in der Historia Lausiaca«
10.30-11.00 Uhr Kaffeepause
11.00-12.00 Uhr Anne E. Bailey (Oxford): »Encounters with Demons and Demoniacs in Miracle Tales from High-Medieval England«
12.00-13.00 Uhr Claire Trenery (London, Royal Holloway): »Demonic Diagnoses in the Miracles of Saint Bartholomew in London«
13.00-14.30 Uhr Mittagessen im Personalrestaurant Palmeria
14.30-15.30 Uhr Gregor Rohmann (Frankfurt/Main, Basel): »Erfüllt von der Gottheit, besessen von einem Dämon, ergriffen vom Tanz – Die Doppelstruktur der “Mania” zwischen Antike und Frühneuzeit«
15.30-16.30 Uhr Dionysios Stathakopoulos (London, King’s College): »The Boundaries between Possession and Disease – Medical Concepts in Byzantine Exorcisms«
16.30-17.00 Uhr Kaffeepause
17.00-18.00 Uhr Kommentar (Michael Knipper) und Abschlussdiskussion
anschließend Abendessen
Um Anmeldung wird bis 4. März 2016 unter der E-Mail Susanne.Koller@fau.de gebeten. Eine Tagungsgebühr wird nicht erhoben

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